Gemeinde Muehlhausen im Kraichgau

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Die wechselvolle Geschichte

des Tairnbacher Schlosses 

Es gibt nur wenige Dörfer in der Größe von Tairnbach, die ein Schloss ihr eigen nennen können. Dieses Schloss der Herren von Ueberbruck zu Rodenstein feierte im Jahre 2011 seinen 275. Geburtstag, und präsentiert sich innen und außen in neuem Gewand. Mit einer umfassenden Sanierung  des denkmalgeschützten Gebäudes wurde die historische Bausubstanz erhalten und den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen der Bürger angepasst.

Nach heutigen Erkenntnissen gab es vor über 450 Jahren ein herrschaftliches Gebäude oder Schloss in Tairnbach. Das Lagerbuch der Herren von Hirschhorn aus dem Jahre 1556, das alle Tairnbacher Hausgrundstücke, Äcker, Wiesen und Weinberge auf der Gemarkung sicher lokalisiert, nennt auch einen stattlichen Gebäudekomplex der Ritter von Hirschhorn, das Hofgut des Junker Hans. 

Seit dem Jahre 1638 waren die Adligen der Schertel von Burtenbach Grundherren in Tairnbach und besaßen dort ein Gebäude, das als „festes Haus“, an anderer Stelle als „Schloss“ bezeichnet wird. 1981 stieß man bei Ausschachtungsarbeiten im Schlosskeller auf eine unter dem Bodenniveau befindliche Tür und eine Fensteröffnung mit einem dahinter liegenden Hohlraum. Heimatforscher Gerhard Höflin vermutet, dass es sich um ein Überbleibsel der Bausubstanz des ersten, längst vergessenen Schlosses handelt.

Das 18. Jahrhundert

In einer unsicheren und schweren Zeit – man schrieb das Jahr 1735 – wechselte Tairnbach seinen Besitzer. Das Dorf wurde für einen mehrfachen Millionenbetrag nach heutiger Währung an Franz Caspar Ueberbruck von Rodenstein verkauft. Nach einer am 14. März 1735 ausgestellten Urkunde ist vom „Dorf Darmbach“ die Rede, gelegen im „löblichen Canton Ottenwald“. Ein Jahr zuvor – es war ein Schreckensjahr für das kleine Dorf – war die gesamte Tairnbacher Bevölkerung mit Hausrat und Vieh nach Mauer geflüchtet. Plündernde und mordende französische Truppenteile hatten die Menschen in Angst und Schrecken versetzt und sie zu dieser Massenflucht veranlasst.

In diesem unruhigen und unsicheren Zeiten – viele Tairnbacher starben schon in jungen Jahren an Auszehrung – gingen die Rodensteiner ans Werk und ließen ein Schloss mit verschiedenen Nebenräumen errichten. Noch vor Baubeginn fiel ein schwerer Schatten auf das Vorhaben. Beim Abbruch des Schertelschlosses verunglückte der Eschelbacher Maurer Michael Brecht tödlich, als er durch herabstürzende Balken erschlagen wurde. In einer notariellen Niederschrift aus dem Jahre 1786 erfahren wir Einzelheiten über das Aussehen des Schlosses. Die Anlage hatte die Form eines Hufeisens. Im Untergeschoss gab es drei Säle, die alle mit einem eisernen Ofen ausgestattet waren, eine Kammer, eine Küche mit zugehörigem Holzlagerraum. Darunter lag ein Wein- und Vorratskeller. 

Das obere Stockwerk umfasste sieben Stuben, das Dachgeschoss drei Kammern und einen Fruchtspeicher. Ein Anbau linker Hand enthielt in der Höhe des Obergeschosses zwei Zimmer, darunter eine Remise für die Kutschen. Auf der Westseite der Schlossanlage stand ein zweistöckiger Schlossturm, der später abgerissen wurde. Zu den weiteren Gebäuden gehörten eine Scheune, sowie Stallungen für vier Pferde. Ein Inventarverzeichnis gibt Auskunft, was sich an Waffen, Gemälden, Büchern und Hausrat im Schloss befand. Die Bibliothek war nicht sehr umfangreich. Die Waffensammlung bestand unter anderem aus zwölf Gewehren, ein paar Pistolen sowie Hieb- und Stichwaffen. Möbel und Geschirr waren reichlich vorhanden, dazu Bettzeug und andere Gebrauchsgegenstände. 

Schloss und Kirche

Als gläubiger Katholik ließ Freiherr und Schlosserbauer Franz Caspar Ueberbruck von Rodenstein ein Jahr, nachdem das Schloss fertig gestellt war, ein Oratorium, d.h. eine Schlosskapelle errichten. Am 13. August des Jahres 1737 erhielt er vom Erzbischof Franz Georg von Trier die Genehmigung hierzu. Die Nutzung dieser Kapelle, in der Messen gehalten werden durften, wurde schriftlich vereinbart. An Ostern und Pfingsten allerdings bestand für die Herrschaft und ihre Angestellten die Pflicht, die Messe in Mühlhausen zu besuchen.

Der damalige Pfarrer von Mühlhausen, Vinzenz Krämer, ein wenig verträglicher, dem Trunke ergebener und häufig kranker Mann wehrte sich heftig gegen den Bau einer Schlosskapelle. Er trug dem Freiherrn die Befürchtung vor, die Kapelle könne beraubt und entweiht werden. Franz Caspar von Ueberbruck von Rodenstein entgegnete, es stimme zwar, dass ein Großteil der Tairnbacher Untertanen lutherischen Glaubens sei, dazu gebe es im Dorf viele Juden. Daraus dürfe man aber nicht folgern, dass sie Diebe seien, Gewalt gegen die Kapelle ausüben oder diese berauben würden.

Am Michaelistag des Jahres 1760 erhielt Johann Heinrich Adam Ueberbruck von Rodenstein, der 1742 Chef des Hauses geworden war, die Genehmigung des Wormser Bischofs, einen eigenen Hauskaplan namens Caspar Kroll anzustellen. Dieser blieb der bisher einzige bekannte, ortsansässige katholische Geistliche in Tairnbach.

Der Kaplan erhielt von der Schlossherrschaft freie Kost und Logis, dazu eine jährliche Vergütung von 50 Gulden. Nach 1878 entstand eine Schlosskapelle im neugotischen Stil und wurde mit einem Glöcklein ausgestattet, das von der Frau des Verwalters geläutet wurde. Nach dem Schlossbrand im Jahre 1928 wurde die Kapelle, die schon vorher in einem schlechten und baufälligen Zustand war, abgerissen.

Das Schmuckstück der ganzen Anlage war der Schlosspark im französischen Stil. Zu ihm führte eine breite Freitreppe hinab. Zu Lebzeiten der letzten Schlossherrin Elisabeth Ueberbruck von Rodenstein (1858 – 1929) soll der Park ein Juwel gärtnerischer Gestaltungskunst gewesen sein. Von französischen Gartenarchitekten entworfen war der Park das Heiligtum des Schlossverwalters, das er mit viel Liebe und Zeitaufwand pflegte.

Alle Parkwege waren von niedrigen Grünsträuchern gesäumt, zwischen den Rasenflächen wuchsen seltene Blumen und Bäume. Das saftige Grün wurde nur unterbrochen durch den Tairnbach, der sich mitten durch den herrschaftlichen Garten schlängelte. Über ihn führte eine Brücke, auf deren Mitte genau über dem Wasser das Garten- und Teehaus der Familie Ueberbruck von Rodenstein stand.

Endlich im Gemeindebesitz

Im Jahre 1905 wurde die Gemeinde Tairnbach stolzer Schlossbesitzer. Zum Preis von 170 000 Goldmark wurden das Schloss und weitere Liegenschaften überschrieben. Die Gemeindeverwaltung und mehrere Tairnbacher Familien zogen in das Gebäude ein. Für einige Jahre wurden drinnen auch Zigarren produziert, den kunstvoll angelegten Schlossgarten verwandelte man in einen Gemüsegarten. An einem Junitag des Jahres 1928 hallte ein Ruf durch das ganze Dorf: Das Schloss brennt!

An einem Vormittag gegen 11 Uhr schlugen die Flammen aus dem Dachgeschoss des Gebäudes und legten den Dachstuhl und einige Wohnräume in kurzer Zeit in Schutt und Asche. Nur dem schnellen Eingreifen der Freiwilligen Feuerwehr, die drei Jahre zuvor gegründet worden war, war es zu verdanken, dass das Schloss nicht bis auf die Grundmauern nieder brannte. Die genaue Ursache konnte nie aufgeklärt werden.

Nach dem Wiederaufbau zog im Jahre 1930 der erste in Tairnbach ansässige evangelische Pfarrer als neuer Schlossbewohner in das Gebäude ein, dazu der Kindergarten samt den betreuenden Schwestern. Im Dezember 1944 wurden Teile des Schlossgebäudes vorübergehend beschlagnahmt und als Truppenunterkunft verwendet. 1946 wurden die Heimatvertriebenen provisorisch dort untergebracht.

Im Jahre 1984 ließ die Gemeinde das Schloss renovieren, das von der Evangelischen Kirchengemeinde, den Vereinen und der Gemeinde als Außenstelle des Bürgermeisteramts genutzt wurde. Das Tairnbacher Schlossgebäude, einst errichtet und genutzt von einer kleinen, adligen Minderheit steht jetzt nach einer umfassenden Renovierung als Gemeindezentrum allen Bürgerinnen und Bürgern offen. 

Quellen- und Literaturhinweis: 
Gerhard Höflin, „250 Jahre Schloss Tairnbach“, 1985 und „Historische Streiflichter aus Tairnbach“, 1995.